Dortmund (energate) - Die fortschreitende Digitalisierung setzt den Strom- und Gasvertrieb unter Druck. Der Trend in Richtung vollautomatisierte Prozesse schreitet schnell voran und sorgt dafür, dass sich die Vertriebe weiter umstellen müssen. Neue Partnerschaften können dabei eine Antwort auf die wachsende Komplexität sein.
Diesen Standpunkt vertrat Oliver Bolay, Geschäftsführer des Energievertriebs E-wie-Einfach, auf der Jahrestagung des Bundesverbands der Energiemarktdienstleister (BEMD) in Dortmund. "Der klassische Strom- und Gasvertrieb wird in drei Jahren nicht mehr funktionieren", prognostizierte Bolay. Dazu skizzierte er eine Reihe von "Druckpunkten des Marktes", mit denen Vertriebe konfrontiert sind.
Konkurrenzdruck wächst
So hätten sich etwa Vergleichsportale zu sehr mächtigen Playern entwickelt, "die Energieversorgern teilweise diktieren, wie Produkte zu gestalten sind und mit Provisionen an die Tür klopfen". Als weitere Herausforderung für den klassischen Energievertrieb nannte er etwa Mieterstrommodelle. Der Smart-Meter-Rollout werde deshalb zum Teil auch in den Händen von Wohnungsgesellschaften liegen. Aufseiten der Kunden rücke der Energieliefervertrag in der Wahrnehmung durch Boni wie Tablet-Computer oder Handys zunehmend in den Hintergrund. Automatisierte Wechselservice-Angebote sorgen dafür, dass viele Kunden nicht länger als ein Jahr bei einem Vertrag bleiben. Die Quote solcher "Wechsler" liege bei 42 Prozent, die der "Wiederwechsler" bei 21 Prozent.
Interne Prozesse werden komplexer
Um den veränderten Kundenansprüchen gerecht zu werden, müssten Anbieter auch ihre internen Prozesse auf den Prüfstand stellen, so Bolay weiter. So müssten etwa die Abrechnungssysteme generell mit vielen weiteren IT-Systemen verknüpft werden. Dadurch entstehe auf der Anbieterseite eine Komplexität, die vor dem Kunden verborgen bleiben müsse. Nicht zuletzt werde spannend, wie Smart Meter künftig in diese Systeme integriert werden. Für die neuen Anforderungen werde es keine einzelne IT-Lösung geben, so Bolay. Zudem werde sich die Branche stärker mit Datenschutzanforderungen aus der Politik beschäftigen müssen. Schlussendlich setze die Gemengelage die Margen der Energievertriebe unter Druck.
Dennoch gelte es, den Wandel als Chance zu begreifen. Auch weil die Technologie trotz steigender Komplexität immer günstiger werde, könnten Unternehmen über Digitalisierung und Automatisierung Kosten sparen. Allerdings brauche die Branche mehr Flexibilität und Kooperationen sowohl untereinander als auch mit IT-Unternehmen, um gemeinsam sinnvolle Geschäftsmodelle zu bauen. "Jeder von uns muss offen genug sein, das zu sehen", so Bolay. /pa
Quelle: energate,