Bundesgerichtshof definiert Kundenanlage

Karlsruhe - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei richtungsweisende Urteile gefällt, in denen der strittige Begriff der Kundenanlage näher definiert wird. Das teilten die am Verfahren beteiligten Rechtsanwaltskanzleien nun mit. Die Definition einer Kundenanlage ist im Zusammenhang mit Mieterstromanlagen interessant. Denn bei Kundenanlagen müssen keine Netznutzungsentgelte bezahlt werden.

Damit ist die Definition sowohl für Anbieter von Mieterstromanlagen als auch für Verteilnetzbetreiber von Relevanz. In den beiden im November gefällten Urteilen ging es unter anderen darum, wie groß eine Kundenanlage sein darf und ob sie von einer öffentlichen Straße durchschnitten werden kann. Mit den Urteilen bestätigte der BGH jeweils die Richtersprüche der Vorgängerinstanz, des Oberlandesgerichtes (OLG) Düsseldorf sowie die Auffassung der Bundesnetzagentur.

Das erste Urteil vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) nennt maximale Größen für Kundenanlagen. Zudem stellt das oberste Gericht klar, dass eine Kundenanlage sowohl für den Wettbewerb als auch für den Netzbetreiber unbedeutend sein muss. "Dafür dürfe die Anlage weder in technischer noch in wirtschaftlicher noch in versorgungstechnischer Hinsicht ein Ausmaß erreichen, das Einfluss auf den Versorgungswettbewerb und die durch die Regulierung bestimmte Lage des Netzbetreibers haben könne", erläuterte die am Verfahren beteiligte Anwaltskanzlei Beiten Burkhardt. Nicht mehr unbedeutend sei die Energieanlage, wenn sie nach Kundenanzahl, geografischer Ausdehnung, Strommenge und sonstigen Strukturmerkmalen eine bestimmte Größe überschreite. Dies sei der Fall, wenn mehrere Hundert Letztverbraucher angeschlossen sind, die Anlage eine Fläche von deutlich über 10.000 Quadratmetern versorge, die durchgeleitete Strommenge 1.000 MWh/a deutlich übersteigt und mehrere Gebäude angeschlossen sind.
 
Im vorliegenden Fall übersteigen die beiden Anlagen der Wohnungsbaugesellschaft Gewoba die Kennzahlen. Die Gewoba hatte an zwei verschiedenen Standorten in Bremen jeweils ein BHKW mit 140 kW Leistung errichtet. Ein BHKW versorgte insgesamt 457 Wohnungen in 22 Gebäuden (Jahresverbrauch ca. 1.005 MWh). Am anderen Standort handelt es sich um insgesamt 515 Wohnungen in 30 Gebäuden (Jahresverbrauch ca. 1.133 MWh). Die Gewoba meldete beim Netzbetreiber Wesernetz beide Standorte als je eine Kundenanlage an. Wesernetz verweigerte jedoch die Einstufung als Kundenanlage und bekam nun auch in letzter Instanz Recht.
 

Straßen dürfen kreuzen

Strittig war bislang auch, inwieweit Straßen durch eine Kundenanlage führen dürfen (energate berichtete). Hier fiel die Einschätzung des BGH zugunsten der Betreiber von Mieterstromanlagen noch großzügiger aus als die von Bundesnetzagentur und OLG Düsseldorf (EnVR 66/18, Beschluss vom 12. November). "Während alle Vorinstanzen großen Wert auf den Umstand legten, dass die Kundenanlage kreuzende Straße keine Durchfahrtsstraße darstellt, kam es dem BGH darauf gar nicht an", berichtete der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren, Dirk Legler von der Kanzlei Rechtsanwälte Günther. Vielmehr habe der BGH das Vorliegen der Kundenanlage unabhängig davon bejaht, ob es sich bei der Straße um einen kleine Erschließungsweg handelt oder nicht.

 

Für eine Kundenanlage ist ein räumlich zusammengehöriges Gebiet notwendig. Dieses ist nach Auffassung des BGH auch dann gegeben, wenn sich die Kundenanlage über mehrere Grundstücke erstreckt. Voraussetzungen sind aber, dass diese Grundstücke so gut wie ausschließlich über die Kundenanlage versorgt werden, die Grundstücke aneinander angrenzen und nicht verstreut liegen und auf diese Weise ein geschlossenes, von den äußeren Grundstücksgrenzen begrenztes Gebiet darstellen. Der BGH präzisierte weiter: "Dabei ist es unschädlich, wenn ein so abgegrenztes Gebiet Straßen, ähnliche öffentliche Räume oder vereinzelte, nicht ins Gewicht fallende andere Grundstücke einschließt, welche nicht durch die Kundenanlage versorgt werden." /sd
Quelle: Energieträger/ Stefanie Dierks