Für den Energiemarkt relevanten Passagen des Koalitionsvertrages

Der 177-seitige Koalitionsvertrag beschreibt auf den Seiten 71 bis 74 unter der euphemistischen Kapitel-Überschrift „Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen“ in Unterkapitel 3 die erzielten Verhandlungsergebnisse zum Thema Energie.

Während an anderer Stelle teilweise bis ins kleinste Detail Regelungen vereinbart wurden (Bsp Kapitel 5/ Absatz 1 „(…) Für eine Anwendung des § 16h Sozialgesetzbuch II wollen wir ab
2019 50 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen“) bleiben die Ausführungen zum Thema Energie eher vage.

So soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf 65% im Jahr 2030 steigen. Als eine der wenigen konkreten Aussagen werden dazu Sonderausschreibungen für 2019 und 2020 von je 4 GWh angekündigt, allerdings unter der Bedingung, dass „die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze vorhanden ist“.

Weiter forciert werden soll das Thema „Mieterstrom“. Hierzu heißt es: „Wir werden die bestehende Mieterstromregelung optimieren, in dem der Verlust der tradierten gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften vermieden wird, um nachhaltige Mieterstrommodelle zu ermöglichen.“

Nachfolgend die gesamten Ausführungen zum Thema Energie:

3. Energie

Wir wollen im Energiebereich die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Energiewende zum Treiber für Energieeffizienz, Modernisierung, Innovationen und Digitalisierung im Strom-, Wärme-, Landwirtschafts- und Verkehrssektor wird, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland zu gefährden. Die dafür erforderliche Versorgungssicherheit muss durch entsprechende Rahmenbedingungen auch am deutschen Energiemarkt zuverlässig gewährleistet sein. Die Einbettung der Energiewende in den europäischen Zusammenhang eröffnet die Chance, die Kosten zu senken und Synergien zu nutzen. Wir wollen zusätzliche Wachstums- und Beschäftigungschancen in Deutschland und Exportchancen für deutsche Unternehmen auf internationalen Märkten. Zentrale Orientierung bleibt das energiepolitische Zieldreieck von Versorgungssicherheit, verlässlicher Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit.

Wir werden die internationale Energiezusammenarbeit ausbauen, um die Vorreiterrolle Deutschlands bei der Energiewende international zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu unterstützen. Um die deutsche Wirtschaft weltweit zu vernetzen, werden wir verstärkt die internationalen Formate (z. B. G7, G20) sowie die internationalen Energieinstitutionen (z. B. IEA, IRENA) nutzen. Wir werden weitere bilaterale Energiepartnerschaften entwickeln, mit dem Ziel, der deutschen Industrie den Marktzugang zu erleichtern und die weltweite Energiewende voranzubringen.

Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende und Klimaschutzpolitik ist ein weiterer zielstrebiger, effizienter, netzsynchroner und zunehmend marktorientierter Ausbau der Erneuerbaren Energien. Unter diesen Voraussetzungen streben wir einen Anteil von etwa 65 Prozent Erneuerbarer Energien bis 2030 an und werden entsprechende Anpassungen vornehmen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien  muss deutlich erhöht werden, auch um den zusätzlichen Strombedarf zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie zu decken.

Vorgesehen sind Sonderausschreibungen, mit denen acht bis zehn Millionen Tonnen CO2 zum Klimaschutzziel 2020 beitragen sollen. Hier sollen je vier Gigawatt Onshore-Windenergie und Photovoltaik sowie ein Offshore-Windenergiebeitrag zugebaut werden, je zur Hälfte wirksam in 2019 und 2020. Voraussetzung ist die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze.

Die Herausforderung besteht in einer besseren Synchronisierung von Erneuerbaren Energien und Netzkapazitäten. Wir halten an dem Ziel der einheitlichen Stromgebotszone in Deutschland fest. Wir werden eine bessere regionale Steuerung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien einführen und für die Ausschreibungen südlich des Netzengpasses einen Mindestanteil über alle Erzeugungsarten festlegen. Wir werden die Akteursvielfalt auch künftig sicherstellen, aber ausschließlich bundesimmissionsschutzrechtlich genehmigte Projekte an Ausschreibungen teilnehmen lassen.

Wir wollen durch eine stärkere Marktorientierung der Erneuerbaren Energien Investitionen in Speichertechnologien und intelligente Vermarktungskonzepte fördern. Ziel ist es, die Versorgungssicherheit in allen Teilen Deutschlands weiterhin sicherzustellen und die EEG- und Systemkosten so gering wie möglich zu halten.

Offshore-Wind-Energie hat eine industriepolitische Bedeutung für Deutschland und kann auch zur Kostensenkung beitragen. Wir setzen uns deshalb für ein nationales Offshore-Testfeld ein, mit dem wir die Offshore-Potenziale in der Energiewende erforschen werden.

Wir werden:

  • Anstrengungen zum Ausbau und zur Modernisierung der Energienetze unternehmen. Zu diesem Zweck werden wir einen ambitionierten Maßnahmenplan zur Optimierung der Bestandsnetze und zum schnelleren Ausbau der Stromnetze erarbeiten. Es geht darum, mit neuen Technologien und einer stärkeren Digitalisierung, aber auch mit einer besseren Zusammenarbeit der Netzbetreiber die vorhandenen Netze höher auszulasten. Wir werden das Netzausbaubeschleunigungsgesetz novellieren und vereinfachen. Notwendig sind auch ökonomische An- reize für eine Optimierung der Netze;
  • mehr Akzeptanz für den Netzausbau schaffen und zu dessen Beschleunigung bei- tragen, indem wir mehr Erdverkabelung insbesondere im Wechselstrombereich und dort vor allem an neuralgischen Punkten, soweit technisch machbar, ermöglichen. Die politischen Vereinbarungen unserer Parteivorsitzenden („Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“) vom 1. Juli 2015 gelten fort;
  • die Verordnung zur Umsetzung der bereits beschlossenen bundesweit einheitlichen Übertragungsnetzentgelte unverzüglich erarbeiten;
  • mit einer Reform der Netzentgelte die Kosten verursachergerecht und unter an- gemessener Berücksichtigung der Netzdienlichkeit verteilen und bei Stromverbrauchern unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit mehr Flexibilität ermöglichen;
  • unter Anerkennung der zunehmenden Verantwortung der Stromverteilnetzbetreiber den Regulierungsrahmen weiterentwickeln, um Investitionen in intelligente Lösungen (Digitalisierung) – gerade auch im Bereich der Verteilnetze – zu flankieren;
  • im Rahmen des gesetzlichen Monitorings die Bezahlbarkeit von Energie und die Versorgungssicherheit regelmäßig bewerten. Außerdem werden wir jedes Jahr überprüfen, wie sich die Netzengpässe entwickeln, und ab Anfang 2019 daraus den notwendigen Handlungsbedarf ableiten (Stresstests);
  • beim weiteren Ausbau der Windenergie an Land einen besseren Interessenausgleich zwischen Erneuerbaren-Branche einerseits und Naturschutz- und Anwohneranliegen andererseits gewährleisten;
  • durch eine bundeseinheitliche Regelung beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) die Standortgemeinden stärker an der Wertschöpfung von EE- Anlagen beteiligen und die Möglichkeiten einer Projektbeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern verbessern, ohne dass dies insgesamt zu Kostensteigerungen beim EE-Ausbau führt. Wir werden die bestehende Mieterstromregelung optimieren, in- dem der Verlust der tradierten gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften vermieden wird, um nachhaltige Mieterstrommodelle zu ermöglichen;
  • die Kopplung der Sektoren Wärme, Mobilität und Elektrizität in Verbindung mit Speichertechnologien voranbringen. Dafür müssen die Rahmenverbindungen an- gepasst werden. Stadtwerke und Verteilnetzbetreiber haben durch ihre Nähe zu Energieversorgern und Verbrauchern sowie dem öffentlichen Nahverkehr eine Schlüsselposition in der Sektorkopplung. Für Speicher wollen wir entsprechende Forschungs- und Fördermittel bereitstellen. Deutschland soll wieder Standort für Batteriezellproduktion werden. Wir wollen ein Fraunhofer-Institut für Speichertechnologien einrichten und vorhandene Kompetenzen einbinden. Die Wasserstofftechnologie wollen wir stärken;
  • prüfen, inwieweit zukünftig nicht mehr benötigte Kraftwerksstandorte für große thermische Speicher-Kraftwerke genutzt werden können. Wir werden die unter- schiedliche Belastung von gespeicherter Energie prüfen und vereinheitlichen. Wir werden Speichern die Möglichkeit eröffnen, mehrere Dienstleistungen gleichzeitig zu erbringen, etwa Regelenergie und Mieterstrom. Wir werden Wärmespeicher insbesondere für Quartiers- und Siedlungslösungen unterstützen;
  • die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) weiterentwickeln und umfassend modernisieren, so dass sie im Rahmen der Energiewende eine Zukunft hat. Wir werden die Kraft-Wärme-Kopplung CO2-ärmer ausgestalten und flexibilisieren. Wir wollen KWK-Anlagen und die Fernwärmeinfrastruktur ausbauen und effizienter machen;
  • die Planung und Finanzierung von Energieinfrastrukturen – einschließlich der bestehenden Gas- und Wärmeinfrastruktur für die Sektorkopplung – so reformieren, dass die verschiedenen Infrastrukturen koordiniert energiewendetauglich und kosteneffizient weiterentwickelt werden;
  • Deutschland zum Standort für LNG-Infrastruktur machen.

Wir werden unter breiter Beteiligung eine ambitionierte und sektorübergreifende Energieeffizienzstrategie des Bundes erarbeiten und darin das Leitprinzip „Efficiency First“  verankern  mit  dem  Ziel,  den  Energieverbrauch  bis  zum  Jahr  2050  um  50 Prozent zu senken. Den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) werden wir basierend auf den Ergebnissen des Grünbuchs Energieeffizienz weiterentwickeln und schnellstmöglich umsetzen. Bestehende Programme zur Förderung der Energieeffizienz wollen wir evaluieren und bei Bedarf nutzergerecht optimieren. Wir wollen die Fördermittel auf dem derzeitigen Niveau stabilisieren.

Wir werden die Energieforschung vermehrt auf die Energiewende ausrichten. Gemeinsam mit der Wirtschaft und der Wissenschaft werden wir neue Formate der Vernetzung schaffen, die uns helfen, die Wertschöpfung und die klügsten Köpfe in Deutschland zu halten. Dazu wollen wir u. a.:

  • im Rahmen der Energieforschung gezielt öffentliche Mittel zur Entwicklung CO2- armer Industrieprozesse bzw. zur CO2-Kreislaufwirtschaft bereitstellen,
  • den Übergang von Forschung zu Demonstration und Markteinführung unterstützen und die „Reallabore“ (z. B. Power to Gas/Power to Liquid) als weitere Säule der Energieforschung ausbauen,
  • den Zugang zu der Forschungsförderung für Start-ups deutlich erleichtern.