Mehrwertsteuer-Reduzierung stellt Energiewirtschaft vor große Herausforderungen

 

Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat am 3. Juni 2020 beschlossen, die Umsatzsteuer zur Stärkung der Binnennachfrage befristet abzusenken. Demnach soll der Umsatzsteuersatz befristet vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 von 19% auf 16% und von 7% auf 5% gesenkt werden.

Die Maßnahmen sollen im Rahmen „Zweites Corona-Steuerhilfegesetz“ erfolgen. Nach der Kabinettbefassung ist der Gesetzesbeschluss im Bundestag für den 19.06.2020 geplant, bevor der Bundesrat in einer Sondersitzung in KW 26 seine Zustimmung erteilen könnte.

Für die Energiewirtschaft sind grundlegende Umsetzungsfragen nach wie vor offen. Wenn Sie hier Unterstützung benötigen, einfach bei uns melden:  vertrieb@ nea-gmbh.com
Die nachfolgenden Ausführungen sind dem blog der auf den Energiemarkt spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei BBB Becker, Büttner, Held entnommen und geben die Herausforderungen sehr präzise wieder.

(…) Für Lieferungen von Elektrizität und Gas ist die unterjährige Umstellung dann unproblematisch, wenn monatlich geleistet und abgerechnet wird (also insbesondere bei RLM-Kunden). Für den Bereich der SLP-Kunden (typischerweise monatliche Abschläge und Jahresendabrechnung) ist die Umsetzung nach aktuellem Stand nicht eindeutig geklärt.

Lieferungen von Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Wasser gelten erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt. Die Abschlagszahlungen, die während des Ablesezeitraums geleistet werden, stellen keine Entgelte für Teilleistungen dar.

Folgt man diesen Hinweisen auch für die aktuell geplante Anpassung, dann wäre bei SLP-Kunden der relevante Zeitpunkt für die Anwendung des Steuersatzes ausschließlich der Ablauf des Ablesezeitraums. Hier vier Beispiele:

  1. Wenn ein SLP-Kunde Strom für den Zeitraum 1.1.2020 bis 31.12.2020 bezieht, wurde die Leistung an diesen Kunden mit Ablauf des 31.12.2020 erbracht, der Leistungszeitpunkt ist der 31.12.2020. Die an diesen Kunden erbrachten Leistungen unterliegen nach dem BMF-Schreiben von 2006 für den gesamten Leistungszeitraum dem Steuersatz von 16 Prozent.
  2. Bezieht ein SLP-Kunde Strom für den Zeitraum 1.8.2019 bis 31.7.2020, wird die Leistung an diesen Kunden mit Ablauf des 31.7.2020 erbracht, der Leistungszeitpunkt ist der 31.7.2020. Die an diesen Kunden erbrachten Leistungen unterliegen nach dem BMF-Schreiben von 2006 für den gesamten Leistungszeitraum dem Steuersatz von 16 Prozent.
  3. Wenn ein SLP-Kunde vom 1.2.2020 bis zum 31.1.2021 Strom bezieht, wird die Leistung an diesen Kunden mit Ablauf des 31.1.2021 erbracht, der Leistungszeitpunkt ist der 31.1.2021. Die an diesen Kunden erbrachten Leistungen unterliegen nach dem BMF-Schreiben von 2006 für den gesamten Leistungszeitraum dem Steuersatz von 19 Prozent.
  4. Ein SLP-Kunde bezieht Strom vom 1.4.2020 bis zum 31.3.2021. Zum 30.6.2020 sowie zum 31.12.2020 erfolgen eine Ablesung und jeweils eine separate Abrechnung. Die Leistung an diesen Kunden wird für den Zeitraum vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 aufgrund der erfolgten Ablesung und Abrechnung zum 30.6.2020 erbracht und unterliegt dem Steuersatz von 19 Prozent. Die Leistung wird für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 aufgrund der separaten Abrechnung zum 31.12.2020 erbracht und unterliegt dem Steuersatz von 16 Prozent. Die Leistung für den Zeitraum 1.1.2021 bis zum 31.3.2021 wird aufgrund der Abrechnung zum 31.3.2021 erbracht und unterliegt (wieder) dem Steuersatz von 19 Prozent. Die Abrechnung in diesem Fall muss zwingend separat erfolgen. Eine derartige Abrechnung in einer Schlussrechnung führt im obigen Beispiel zu einer Abrechnung mit dem Steuersatz von 19 Prozent für den gesamten Zeitraum (analog Beispiel 3).

 

ABWEICHENDE VORGABEN DER GRUNDVERSORGUNGSVERORDNUNGEN?

 

Die Hinweise des BMF zur Umsatzsteueranpassung zum Jahreswechsel am 1.1.2007 passen nicht vollständig zu den Vorgaben der Strom– und Gasgrundversorgungsverordnung (Strom-/GasGVV). Dort heißt es jeweils in § 12 Abs. 2:


„Ändern sich innerhalb eines Abrechnungszeitraums die verbrauchsabhängigen Preise, so wird der für die neuen Preise maßgebliche Verbrauch zeitanteilig berechnet; jahreszeitliche Verbrauchsschwankungen sind auf der Grundlage der für Haushaltskunden maßgeblichen Erfahrungswerte angemessen zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei Änderung des Umsatzsteuersatzes und erlösabhängiger Abgabensätze.“


Diese Regelungen sprechen jedenfalls für die Grundversorgung Strom und Gas klar dafür, eine Abgrenzung (und ggf. sogar Ablesung) nach den Zeiträumen der unterschiedlichen Umsatzsteuergeltung (im Rahmen der Jahresschlussrechnung) vorzunehmen.


Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung die betroffenen Unternehmen bei den Herausforderungen aufgrund der mehrfachen Änderung der Steuersätze praxisnah entgegenkommt.
Erst ab dem 1.7.2021 ist die umsatzsteuerliche Welt – nach derzeitigem Stand – für alle wieder so, wie sie zum jetzigen Zeitpunkt noch ist. In jedem Fall ist den Unternehmen zu empfehlen, zeitnah an die jeweiligen Softwareanbieter heranzutreten, um die nun kommenden Herausforderungen auch buchhalterisch bewältigen zu können.